Zwanghaftes Hautknibbeln und Nägelkauen

Zwanghaftes Hautknibbeln und Nägelkauen

Das Hautknibbeln und Nägelbeißen werden zu den Zwangsspektrumsstörungen eingestuft. Psychologen bezeichnen das Nägelkauen als Leerlaufhandlung, eine Angewohnheit, die bei verschiedensten Anlässen auftreten kann und eine gewisse Befriedigung und Entlastung mit sich bringt.

Dabei kann es sich um den harmlosen Ausdruck einer vorübergehenden Verlegenheit oder um das Symptom einer Verhaltensstörung handeln. Nägelkauen oder -beißen ist immer ein Begleitsymptom, eine Reaktion auf Streß und Überforderung.

Oft beginnt die Angewohnheit des Nägelkauens im Kindesalter, zwischen vier und sechs Jahren. In der Regel handelt es sich um eine vorübergehende Phase. Sie kann bis zum zehnten Lebensjahr zunehmen, mit zwölf oder dreizehn einen Gipfel erreichen und irgendwann im Jugendalter wieder aufhören. In der Regel ist Nägelbeißen ein Zeichen, dass das Kind Schwierigkeiten mit seiner Umgebung hat, mit irgendetwas oder irgendjemandem nicht im Reinen ist. Gelegentliches Nägelkauen ist meist nur eine Angewohnheit, die auch keine tieferen Ursachen haben muß.

Wird allerdings exzessiv geknabbert, der Nagel so weit abgebissen, dass das Nagelbett verletzt wird, anschwillt und Entzündungen entstehen, verändert das die Situation. Dieses Nägelbeißen ist schmerzhaft und hat etwas Selbstverletzendes und Aggressives an sich. Ist exzessives Nägelkauen ein vorherrschendes Verhalten, das von dem Kind zwanghaft ausgeübt und nicht mehr kontrolliert werden kann, müssen Eltern eingreifen. Ursachen und Auslöser für den Rückzug aus einer bedrückenden Situation hin zur Beschäftigung mit sich selbst können die Geburt von Geschwistern, Schulnoten, Trennungsprobleme bei Scheidungen oder Krankenhausaufenthalte sein. Das Kind zieht sich aus einer Situation, mit der es nur schwer zurecht kommt, zurück und beschäftigt sich mit sich selbst. Starkes Nägelbeißen, bei dem die Nägel bis zum Nagelbett heruntergebissen werden, kann so ausgeprägt sein, daß die Finger bluten und die Fingerspitzen entstellt werden. Auch die Nagelhaut kann durch Knibbeln oder Beißen betroffen sein.

Oft reicht es einfach aus, sich das Nägelkauen durch das Aufstreichen einer schlecht schmeckenden Tinktur abzugewöhnen. Diese erinnert einen immer sofort, wenn man anfängt an den Nägeln zu kauen. Denn oft passiert das Nägelkauen ganz unbewußt und viele erkennen wahrscheinlich nicht, daß sie möglicherweise unter einer Störung leiden. Eine weiter Möglichkeit: Die stressige Situation, die das Nägelkauen auslöst aufspüren und ohne Kauen und ohne Angst diese Situation nachspielen. Künstliche Fingernägel sind auch eine Methode sich das Kauen abzugewöhnen, da diese so hart sind, daß ein Abbeißen fast unmöglich ist. Eine Manicure, Hand- und Nagelpflege kann das Nägelkauen zwar nicht verhindern, jedoch einiges retten. Dem Kind gegen seinen Willen das Nägelkauen abzugewöhnen ist in den meisten Fällen unmöglich. Drohungen helfen wenig und setzen den Nägelbeißer nur unnötig unter Druck, auf den vielleicht mit gesteigertem Nägelbeißen reagiert wird. Für Eltern gibt es dennoch zwei Möglichkeiten, ihrem Kind beizustehen und ihm exzessives Nägelkauen abzugewöhnen. Erstens: die Probleme des Kindes erkennen und sie so gut wie es geht zu lösen. Zweitens, dem Kind helfen, die Enttäuschung oder Anspannung verarbeiten zu können. Schon die Zuwendung und Aufmerksamkeit tragen dazu bei, das Selbstwertgefühl zu stärken, ihnen die Angst vor Versagen oder Ausgeschlossensein zu nehmen.

Auch das Hautknibbeln kann soweit gehen, daß offene Wunden an verschiedenen Körperstellen entstehen und auch die entstehenden Krusten immer wieder aufgekratzt werden. Das Hautknibbeln umfaßt weiter das weitverbreitete Ausdrücken oder Ausgraben von Pickeln und Mitessern mit Hilfe der Finger oder anderen Hilfsmitteln und kann bis zur Entstehung von Hautinfektionen und Narbenbildung reichen. Ebenfalls dazugehören kann eine stundenlange Untersuchung und Betrachtung des Gesichtes im Spiegel. Es scheint zwei große Gruppen von Hautknibblern zu geben. Bei der einen Gruppe sind die Betroffenen davon überzeugt, das kleinste Pickelchen das Gesicht völlig entstellt und knibbeln nicht nur an echten Hautunreinheiten, sondern an allem was auch nur annähernd einer Hautunreinheit ähnelt. Das Ziel ist ein "perfektes" Hautbild. Bei der Eigenbetrachtung wird in der Wahrnehmung aus ein oder zwei kleinen Pickeln ein Fall von schwerer Akne. Bei der anderen Gruppe knibbeln die Betroffenen um einen inneren Drang zu befriedigen. Sie stehen in einem nahezu Trance-ähnlichen Zustand vor dem Spiegel, knibbeln und quetschen weil es sich gut anfühlt. Für sie bringt das Knibbeln Erleichterung bei inneren Spannungen oder Streß und baut diesen inneren Drang ab.

Einige, die ihre Nägel oder Nagelhaut abbeißen, versuchen möglicherweise überstehende Teile zu entfernen, in der Absicht Symmetrie, Glätte oder ein tadelloses Aussehen zu erreichen. Ein gewisser Anteil derjenigen, die ihre Haut aufknibbeln oder Hautunreinheiten im Übermaß ausdrücken, versuchen oft ihre Haut tadellos zu reinigen und sauber zu halten. Natürlich erzeugt dieses Verhalten den gegenteiligen Effekt, den übermäßiges Zupfen, Knibbeln und Beißen macht es nur schlimmer statt besser und endet in einem Kreislauf, denn je mehr die Betroffenen sich selbst bearbeiten, desto schlimmer sehen sie aus.