Integriertes Dialyseverfahren

Integriertes Dialyseverfahren

Dialysepatienten, die über ihre chronische Nierenerkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten gut informiert sind, haben es leichter: Sie werden sicherer im Umgang mit Krankheit und Therapie, meiden, was gesundheitlich bedenklich ist, nutzen positive Einflussfaktoren, gewinnen neue Perspektiven und unterm Strich ein deutliches Plus an Lebensqualität. Fragen zu den verschiedenen Dialyseverfahren, ihren jeweiligen Stärken sowie medizinischen Erkenntnissen in der Nierenersatztherapie beantwortete Frau Prof. Dr. med. Marianne Haag-Weber, Leitende Ärztin Nephrologische Abteilung, Klinikum St. Elisabeth, Straubing.

Zu den Nierenersatztherapien zählen die Transplantation und verschiedene Dialyseverfahren. Welche sind dies und wie funktionieren sie?

Prof. Haag-Weber: Bei der Hämodialyse (HD) wird der Patient an eine Dialysemaschine angeschlossen. Über ein Schlauchsystem wird dem Körper Blut entzogen und ihm nach Reinigung in einem externen Filter, der "künstlichen Niere", wieder zugeführt. Bei der Peritonealdialyse (PD) dient das Bauchfell (Peritoneum), eine rund zwei Quadratmeter große dünne Haut, die von einem dichten Geflecht von Blutkapillaren durchzogen ist, als Filter. Frische Dialysatlösung wird hierzu über einen ständig installierten Katheter in die Bauchhöhle eingeleitet. Sie nimmt im Bauchfell Schadstoffe und überschüssige Flüssigkeit auf. Der Patient führt den Dialysatwechsel drei- bis viermal täglich zu Hause oder am Arbeitsplatz selbst durch. Bei der Automatisierten PD (APD) wird dieser Vorgang durch ein Dialysegerät, den Cycler, ausgeführt, in der Regel während der Nacht.

Für wen ist welche Variante besser geeignet?

Ein Hinweis scheint mir hier zunächst wichtig. Am Anfang aller Überlegungen sollte immer das Gespräch mit dem behandelnden Arzt stehen, der den Gesundheitszustand des Patienten natürlich am besten kennt. Danach ist zu klären, welche Therapie zu den Lebensumständen und -gewohnheiten des Patienten passt.

Die HD wird überwiegend im Dialysezentrum, selten zu Hause durchgeführt. Das häufigere Verfahren der Heimdialyse ist die PD. Sie eignet sich für diejenigen, die von den Dialyseterminen im Zentrum unabhängig sein wollen, auch auf Reisen. Meist wird sie von denjenigen gewählt, die Eigenverantwortung für ihre Erkrankung übernehmen wollen und dies als ein Stück Freiheit, Unabhängigkeit und Lebensqualität würdigen. Von den 180 Patienten in der Nephrologischen Abteilung in Straubing haben sich 50 für PD entschieden, die anderen für die HD.

Was ist bei der Wahl eines der beiden Verfahren zu berücksichtigen?

Grundsätzlich sind HD und PD als medizinisch gleichwertig anzusehen. Dennoch sollten einige gesundheitliche Aspekte bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Wird die HD erwogen, ist es von Vorteil, wenn die Blutgefäße für einen Shunt geeignet sind und die Herzfunktion intakt ist. Letzteres aus folgendem Grund: Ein Shunt ist die Verbindung zwischen Arterie und Vene. Durch ihn erhöht sich ständig die pro Minute beförderte Menge Blut von rund 600 ml auf bis zu 1.000 ml. Das entspricht der Pumpleistung beim Sport! Darauf muss die Behandlung abgestimmt sein – insbesondere weil Dialysepatienten ohnehin häufig Herz-Kreislauf-Probleme haben.

Hervorheben möchte ich im Zusammenhang mit einer Entscheidung für das eine oder andere Verfahren aber vor allem die Nierenrestfunktion. Sie kann – Studien zufolge – bei der PD länger erhalten werden als bei der HD. Die Nieren leisten demzufolge bei der PD länger ihren Beitrag zur Entgiftung und Kontrolle des Flüssigkeitshaushaltes. Eine freiere Diät, ein allgemein besserer Ernährungszustand, mehr Energie - kurzum ein größeres Wohlbefinden - sind die auch für die Patienten unmittelbar spürbaren positiven Folgen. Übrigens: Gerade mit Blick auf die Nierenrestfunktion halte ich - neben der Transplantation - auch das so genannte Integrierte Verfahren für das optimale Dialysekonzept über einen längeren Zeitraum.

Was versteht man unter Integriertem Verfahren?

Es handelt sich um eine bestimmte Reihenfolge in der Anwendung verschiedener Verfahren. Solange die Nieren noch teilweise arbeiten, ist die PD aus verschiedenen Gründen das geeignete Anfangsverfahren. Sie schont die Gefäße, belastet das Herz nicht und erhält, wie schon gesagt, die Nierenrestfunktion länger als die HD. Wenn die Nieren nicht mehr an der Entgiftung des Körpers mitwirken oder nach einigen Jahren das Bauchfell "erschöpft" ist, ist die HD als Folgeverfahren geeignet. Jetzt kann der Patient davon profitieren, dass er während der PD keine Gefäßzugänge brauchte. Und hier gibt es dann auch noch verschiedene Möglichkeiten. So gibt es inzwischen Alternativen zu den bisherigen "klassischen" HD-Modellen: Wöchentlich dreimal acht Stunden während der Nacht im Zentrum oder sechsmal drei Stunden zu Hause. Beides wird von uns mit Erfolg angeboten. Einige wenige unserer Patienten dialysieren sogar sechsmal acht Stunden im HD-Heimverfahren.

Welche Überlegung steht dahinter?

Eine häufigere Dialyse führt dazu, dass sich zwischen den Dialyseterminen nicht so viele Giftstoffe und weniger Wasser im Körper ansammeln. Das ist ja auch das Grundprinzip der PD. Die Patienten fühlen sich deutlich wohler, das Herz-Kreislauf-System wird eher geschont und der Blutdruck auf einem konstant niedrigeren Niveau gehalten. Eine längere Dialysedauer hat ebenfalls eine positive Wirkung, weil der Abtransport der Giftstoffe aus dem Körper gründlicher erfolgt. Übrigens hat eine Expertenbefragung vor ein paar Jahren sowohl der häufigeren als auch der längeren Dialyse großen Einfluss auf die Lebenserwartung von Dialysepatienten bescheinigt. Diese Studie hat noch einen anderen, gemeinhin unterschätzten Faktor für die Lebenserwartung ergeben: Neun Prozent der Befragten waren der Meinung, dass die Dialyse zu Hause ebenfalls eine höhere Lebenserwartung zur Folge hat.

Wie lässt sich dies erklären?

Die Patienten, die zu Hause dialysieren, sind meist sehr gut informierte Patienten. Sie sind für die Dialyse motiviert, setzen sich intensiv mit der Krankheit und deren Behandlung auseinander und halten sich meist sehr konsequent an die Vorschriften und Empfehlungen, was den Gesundheitszustand positiv beeinflusst. Darüber hinaus können sie mit der Erkrankung besser umgehen und sehen in der Dialyse in den eigenen vier Wänden ein Stück Freiheit und Lebensqualität.