Misteltherapie - eine Alternative bei der Krebsbehandlung?

Misteltherapie - eine Alternative bei der Krebsbehandlung?

Die Mistelpflanze galt im Mittelalter als ein vielseitig zu verwendendes Arzneimittel. Es sind kugelartige Sträucher mit kurzem Stamm, die als Schmarotzer auf Laub- oder Nadelbäumen wachsen. Auch heute noch wird sie therapeutisch genutzt. Bisher liegen allerdings nur wenige wissenschaftlich anerkannte Studien über die klinische Anwendung von Mistelpräparaten vor, so dass eine abschließende Beurteilung der Effizienz der Misteltherapie nicht möglich ist.

Der Presssaft der Mistel enthält sehr viele verschiedene Stoffe wie Lektine, Viscotoxine, Eiweiße, Zucker etc. Vor allem die Mistel-Lektine und Viscotoxine sind für die Krebsbehandlung interessant. Ihnen werden einerseits zellzerstörende (zytotoxische) als auch das Immunsystem beeinflussende (immunmodulierende) Wirkungen zugesprochen. Interessanterweise zeigte sich, dass die Mistel im Sommer einen hohen Gehalt an Viscotoxinen hat, im Winter ist dagegen der Gehalt an Mistellektinen sehr viel höher. Die Mistelernte erfolgt deswegen zweimal jährlich, im Frühjahr und Herbst. Dadurch werden Säfte mit jeweils unterschiedlichen Inhaltsstoffen derselben Mistelart gewonnen. Die Sommer- und Wintersäfte werden in einem speziellen Verfahren gemischt. Das so entstandene Präparat enthält also einen ausgewogenen Anteil beider Stoffgruppen.

Diese drei Wirkungsweisen von Mistelextrakten sollen bei der Krebsbehandlung helfen:

Wirkungsweise 1: Gesteuerter Zelltod

In Laboruntersuchungen wurde gezeigt, dass Mistelextrakte sowohl in Tumor- als auch in normalen Zellen einen Zelltod auslösen können. Tumorzellen, die sich schneller vermehren als gesunde Körperzellen, sind besonders sensibel für diese Wirkung der Mistel-Lektine. Bei der Untersuchung der Extrakte von Misteln verschiedener Wirtsbäume konnte diese Wirkung nicht für alle Präparate gefunden werden.

Wirkungsweise 2: Immunmodulation

In einigen Studien konnte nachgewiesen werden, dass vor allem die Mistel-Lektine, die Viscotoxine und die verschiedenen Zuckerstoffe die eigene Körperabwehr anregen. Bei Mäusen wurde nach der Injektion von Mistelextrakten eine deutliche Vermehrung der weißen Blutkörperchen gefunden. Diese Aktivierung ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Fremdkörper. Jedoch ist bis heute nicht nachweisbar, dass diese allgemeine Immunreaktion auch zu einer effizienten Tumorbekämpfung durch den Körper selbst führt.

Wirkungsweise 3: Stabilisierung der DNA

Neben den zellzerstörenden Wirkungen wurde auch eine DNA-schützende Wirkung nachgewiesen. So verringerten sich die typischen Schäden, die durch das Chemotherapeutikum Cyclophosphamid hervorgerufen wurden. Eine Überprüfung dieser schützenden Wirkung in der klinischen Praxis bei einer Chemotherapie steht jedoch noch aus.

In der anthroposophischen Medizin spielt die Behandlung von bösartigen Tumoren mit Mistelpräparaten eine zentrale Rolle. Der Nachweis der zellzerstörenden und der Abwehrreaktion verstärkenden Wirkung einzelner Inhaltsstoffe der Mistelpflanze schien in Labor- und Tierversuchen viel versprechend. Sie führte zu der Hoffnung, die Misteltherapie könne ein wesentlicher Bestandteil der schulmedizinischen Krebsbehandlung werden. Über die Wirksamkeit der Mistelextrakte in der klinischen Behandlung von Tumoren liegen allerdings nur sehr wenige Ergebnisse vor.

Die einzige nach wissenschaftlichen Kriterien allgemein anerkannte Studie Mitte der 1980er Jahre, untersuchte die Wirksamkeit eines Mistelpräparates bei der unterstützenden Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem Hautkrebs. Jedoch sind die erst 1999 veröffentlichten Ergebnisse eher ernüchternd: Die Behandlung mit Mistelextrakt brachte für die Patienten keinerlei Vorteile. Im Gegenteil; mit Mistelextrakt behandelte Patienten entwickelten sogar häufiger Hirnmetastasen als die anderen Patienten. Bei der Behandlung von Hautkrebs im fortgeschrittenen Stadium wäre nach dieser Studie von einer begleitenden Therapie mit Mistelextrakten eher abzuraten.

Anthroposophisch orientierte Ärzte und Heilpraktiker sind der Meinung, dass die Misteltherapie bei allen soliden Tumoren (Karzinome, Sarkome) wirksam sein soll, unabhängig von der Lokalität und der feingeweblichen Struktur. Zurückhaltung ist bei der Behandlung von Hämoblastosen (Oberbegriff für bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems ohne Bildung solider Tumoren) angezeigt. Bei Leukämien und Erkrankungen der Lymphknoten, besonders bei akuten Formen, sollte eine Misteltherapie nur äußerst vorsichtig eingesetzt werden.

Bei gleichzeitiger Behandlung mit Interleukinen und Interferon, sowie fieberproduzierenden Immuntherapien, sollte die Misteltherapie nur in Absprache mit den behandelnden Ärzten fortgeführt werden.

Die Mistelpräparate sind in verschieden Stärken bzw. Serien erhältlich. Die Serien beginnen mit der niedrigsten Stärke und gehen im Verlauf auf höhere Konzentrationen über. Das Präparat wird im allgemeinen unter die Haut gespritzt, was auch vom Patienten oder seinen Angehörigen nach Anweisung des Arztes durchgeführt werden kann. Die Behandlung soll in Intervallen durchgeführt werden, etwa nach dem Schema 8 - 12 Wochen Therapie, dann 4 - 6 Wochen Pause. Das Vorgehen sollte dem Patienten entsprechend individuell angepasst werden, je nach dessen Allgemeinzustand und seiner Reaktion auf die Therapie. Inwieweit die Mistelbehandlung parallel oder nach einer Strahlen- und/ oder Chemotherapie angewandt wird, obliegt der Entscheidung des behandelnden Arztes. Das Mistelpräparat sollte jedoch nicht am gleichen Tag wie Chemo- oder Strahlentherapie zur Anwendung kommen, da durch diese aggressive Therapie die Wirkung der Mistel gemildert werden kann. Um einen ausreichend hohen Abwehrstatus zu erreichen, sollte mit einer Mistelbehandlung eventuell schon 3 - 4 Wochen vor einer belastenden Therapie begonnen werden.

Die Nebenwirkungen der Misteltherapie sind im Grunde nichts anderes als ein Ausdruck des immunologischen Effekts. Mäßige Lokalreaktionen an der Einstichstelle zeigen eine optimale Dosierung an. Bei übermäßigen entzündlichen Lokalreaktionen (über 5 cm im Durchmesser) sollte nach Abklingen der Reaktion die Dosis reduziert oder das Präparat gewechselt werden. Auch leichtes Fieber oder Schwellungen von Lymphknoten sind möglich. Auch hier sollte die Therapie - nach Absprache mit dem behandelnden Arzt - bis nach Abklingen der Nebenwirkungen abgesetzt werden. Echte Allergien oder Schock-Reaktionen sind sehr selten. Bei akuten entzündlichen bzw. fieberhaften Erkrankungen (Körpertemperatur über 38 °C) sollten Mistelpräparate nicht angewandt werden. Einige Hersteller raten von der Anwendung der Misteltherapie bei Erkrankungen des blutbildenden Systems und bei Gehirntumoren ab.

Jeder Patient muss für sich selbst und mit dem behandelnden Arzt entscheiden, welche Therapie in diesem Fall die Richtige ist.